Zufall? Auf Wortgefecht im Leipziger Stadtrat folgt Brandanschlag gegen AfD-Politiker
Wenige Stunden nach einer hitzigen Kontroverse im Leipziger Stadtrat ereignet sich im Umfeld eines AfD-Politikers ein Anschlag. Die Rechtsextremen erheben deshalb Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
Leipzig. Auf das Grundstück der Eltern von AfD-Stadtrat Marius Beyer in Leipzig-Engelsdorf ist am Donnerstagmorgen ein Brandanschlag verübt worden. Wie das ermittelnde Landeskriminalamt Sachsen am späten Nachmittag auf LVZ-Anfrage mitteilte, hatten bislang unbekannte Täter gegen 4.25 Uhr das vor dem Einfamilienhaus geparkte Auto von Beyers Mutter in Brand gesteckt. Der 5er-BMW Kombi wurde nahezu vollständig zerstört. „Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatverdachts der vorsätzlichen Brandstiftung eingeleitet“, sagte Polizeisprecher Kay Anders. Es sei ein Sachschaden in Höhe von circa 85 000 Euro entstanden. Personen seien nicht verletzt worden.
Dass sich das Landeskriminalamt mit dem Fall befasst, hat mit einem in der Tatnacht angebrachten Schriftzug an der Seitenwand der Garage des Hauses zu tun. In blauen Lettern sind die Worte „Nazischwein wir kommen wieder“ zu lesen. Unterschrieben wurde die Drohung mit „161“. Es sei von einer politisch motivierten Tat auszugehen, erläuterte LKA-Sprecher Anders. Das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum im Landeskriminalamt habe die weiteren Ermittlungen übernommen.
Vorwurf gegen Jung
Die AfD-Fraktion im Stadtrat erhob noch vor der Ratsversammlung am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Er habe „mitgezündelt“, hieß es in einer Pressemitteilung der Rechtsextremen – weil Jung in der Mittwochssitzung des Stadtrats die Beschimpfung „Faschist“ an die Adresse Beyers nicht mit einem Ordnungsruf geahndet, sondern verteidigt habe.
Beyer hatte in der Debatte um den Leipzig-Pass, den ab dem 1. März auch Wohngeldbezieher erhalten, den Gegenstand der Diskussion als „Asylbewerber-Pass“ bezeichnet, der „ein Pull-Faktor für massenhafte Armutsmigration“ sei. Daraufhin hatte SPD-Stadträtin Heike Böhm den AfD-Redner als „Faschisten“ und Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft den 24-jährigen Beyer als „ekelhaften Schnösel“ bezeichnet.
Ordnungsruf für Krefft
Während Krefft für den „Schnösel“ vom Oberbürgermeister nachträglich einen Ordnungsruf kassierte, blieb Jung beim Zwischenruf „Faschist“ aus dem Munde von Parteifreundin Böhm ungerührt. „Ich stehe dazu, dass ich das Wort ,Faschist’ nicht rüge“, reagierte der OBM auf laute Proteste aus dem Lager der AfD. „Es ist höchstrichterlich entschieden, dass Björn Höcke ,Faschist’ genannt werden darf. Es ist höchstrichterlich entschieden, dass Sie Teil einer Partei sind, die verfassungsrechtlich beobachtet wird und faschistische Grundauffassungen vertritt“, legte Jung nach.
Zu Beginn des Donnerstags-Stadtrats konfrontierte AfD-Fraktionschef Siegbert Droese den Oberbürgermeister mit dem Anschlag auf das Haus der Beyer-Eltern und mit seinem Statement vom Mittwochabend. Jung konterte kurz und knapp: „Ich sehe da keinen Zusammenhang. Aber ich verurteile selbstverständlich jede Form der Gewalt gegen Menschen und Sachen. Das darf kein Stil der politischen Auseinandersetzung sein“, stellte er klar und wandte sich der Tagesordnung zu.
Mitgefühl bei Pohle
Der Leipziger CDU-Landtagsabgeordnete Ronald Pohle verurteilte den Brandanschlag von Engelsdorf ebenfalls. Sowohl als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises, in dem sich die Tat ereignete, als auch als Vorsitzender des Innenausschusses des Sächsischen Landtags erkläre er, „dass gewalttätige Anschläge hinterhältig und sinnlos sind und das Vertrauen der Bürger in den Staat schädigen“, betonte Pohle. „Ich weiß genau, wie sich so etwas anfühlt“, schilderte der Christdemokrat, der selbst schon mehrfach Opfer von Anschlägen war.
Auch für AfD-Stadtrat Beyer, der seit einer Weile nicht mehr im elterlichen Haus wohnt, war die Erfahrung vom Donnerstagmorgen nicht neu: Laut AfD-Fraktion war es bereits der fünfte Angriff auf den Leiter des Büros von Jörg Steffen Kühne, einem der sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten.
29.02.2024, 17:56 Uhr, https://www.lvz.de/lokales/leipzig/leipzig-nach-wortgefecht-im-stadtrat-brandanschlag-gegen-afd-politiker-AUZCQ4NPGZARJAIELDKE2THPIA.html